Kürzlich war ich im Lidl Discounter in Deutschland (sollte man erwähnen, da Lidl auch in anderen Ländern tätig ist), beim Einkauf, den wir regelmäßig als Familie dort machen, gab es an der Kasse während des Kassiervorgangs eine Überraschung. Der Rabatt für den Fisch, gab es nicht, na ja, nicht für uns normale Menschen, sondern nur für diejenigen, die die Lidl Plus App verwenden. In diesem Artikel erkläre ich, was es auf sich hat und wie Lidl eine 2 Klassengesellschaft an der Kasse realisiert.
Immer mehr Unternehmen im Handel setzen auf eigene Apps und eigene Bonus Programme innerhalb der Apps, mit dem Ziel dem Kunden bessere Vorschläge zu geben und den Kunden teils auch darüber zahlen zu lassen, zum Beispiel mit LIDL Pay.
Bonus Programme des Einzelhandels
Doch warum will man den Kunden unbedingt diese App an der Kasse aufzwingen?
Der Grund ist nicht das Interesse dem Kunden bessere Preise anbieten zu können, denn es geht um was anderes.
Der Grund: Daten und die Erreichbarkeit.
Stell dir vor, du liest die Zeitung, ein Unternehmen muss sehr viel Geld zahlen, um Angebote als Werbung in der Zeitung abgedruckt zu bekommen und Produkte im Angebot zu bewerben, damit der potenzielle Kunde, vielleicht das Bild sieht und darauf reagiert, die Reaktion lässt sich aber nicht direkt messen, sondern nur indirekt durch mehr Verkäufe.
Was wäre aber, wenn man die Menschen auf andere Wege erreichen kann?
Social Media! Ja, mit Social Media kann man auch Interesse wecken und Angebot relativ günstig den Menschen zeigen und so zum Kauf animieren, mit dem Vorteil, dass man sehen kann, wie vielen Menschen das jeweilige Angebot und die Werbung gesehen haben.
Das geht über eigene Social Media Seiten und durch günstige Werbung, so kann man sehen, welche Angebote für welche Kundensegmente relevant sind und gut ankommen. Und bei Social Media kommen dann noch Algorithmen hinzu, welche für den Menschen entscheiden, welcher Beitrag nun relevant ist.
Vor ein paar Jahren begannen die Supermärkte mit Online-Shops den digitalen Bereich zu erobern (man will ja nicht nur Amazon das Feld überlassen 😉 ), so auch der Shop von Lidl Online. Wo man jederzeit Online einkaufen kann. Man kann dem Kunden so 24/7 Produkte anbieten, doch muss der Kunde selbst tätig werden und in den Online-Shop gehen, um dort einzukaufen.
Nein, man braucht etwas, was jeder Mensch bei sich hat, das man den Menschen nutzerspezifische Angebote machen kann und Interessenprofile ermittelt, um so potenzielle Zielgruppen Nachfrage zu ermitteln und entsprechend genug Einzukaufen.
Die Lösung: Eine mobile App
Die Lidl Plus App bietet Rabatte, Coupons, Aktionen, digitaler Kassenbon.
Was auf den ersten Blick nach nichts Besonderem aussieht, ist ein mächtiges Werkzeug des Handels. Denn die App ermöglicht für Lidl viel mehr, als nur Rabatte anzuzeigen.
Einmal installiert, muss man sich registrieren, E-Mail, Geburtsdatum, Zahlungsinformationen, Bankdaten, die braucht man ja, damit man über Lidl Pay zahlen kann. Lidl bekommt also den Namen, die E-Mail-Adresse des Kunden. Das ist nun an sich nichts Besonderes, läuft das ja so bei den meisten Apps darauf hinaus, wenn man ein neues Konto anlegt, damit man die App nutzen kann.
Lidl Pay – mehr als mobiles bezahlen
Und durch die Nutzung von Lidl Pay, erhält man als Unternehmen noch die Informationen, was der Kunde gekauft hat. Wie das? Bei der Abbuchung sieht man doch nur, dass vom Bankkonto der Betrag abgezogen wurde, den man quasi per App an der Kasse bezahlt.
Prinzipiell ist das richtig, doch beim Einkauf mit der App werden die Produkte, die man gekauft hat, dem Konto des LIDL Plus App Nutzers zugeordnet, und dadurch weiß man dann auch, was der Nutzer wann und in welcher Menge kauft.
Mit Lidl Pay kann man dann über das Smartphone in der App zahlen und Rabatte werden abgezogen, ein kleines Gimmick, man kann dann den Kassenzettel jederzeit in der App digital einsehen.
Das weiß doch die Kasse auch, man bekommt für den Einkauf, ob per Barzahlung oder Kartenzahlung immer eine Quittung, das kann ja auch verwendet werden, oder?
Nicht ganz, denn bei der Kasse wird ja nur die Zahlung abgewickelt, also was gekauft wurde und ob Bargeld oder Kartenzahlung verwendet wurde, aber dort befinden sich keine Kundeninformationen, diese sind in der App gespeichert, bzw. auf dem Server, von dem die App die Daten abruft. Ohne Lidl Pay, kann also nicht gesehen werden, was der Kunde einkauft.
Zwar ist es möglich, die Kartenzahlung anhand von Identifikationscodes nachverfolgen zu können, wann die Karte für welche Produkte genutzt wurde, aber das allein hilft nicht mehr, als zu ermitteln, wie viel Waren nachbestellt werden müssen. Bei der Barzahlung hat man zusätzlich noch die Anonymität, und kann daher technisch nicht getrackt werden (das ist aber prinzipiell technisch bei jeder Kartenzahlung möglich, nicht Lidl spezifisch).
Optimierte Warenwirtschaft
Doch kann man mit der App noch mehr anfangen. Um zum Beispiel den nächsten Supermarkt in der App finden zu können, braucht es für gewöhnlich GPS oder man gibt die Postleitzahl ein, schon weiß Lidl ein Stück mehr, wie viele Kunden sich im Umkreis für diesen Lidl Markt interessieren.
Das ist nicht mal weit hergeholt, viele Apps fragen die GPS Standortinformationen bei der Nutzung der App ab um dem Nutzer Mehrwert bieten zu können, im Tausch erhält man dann Informationen wie viele potenzielle Kunden sich im Umkreis der jeweiligen Märkte befinden, womit man dann auch weiß, wie viele Kunden bei Angeboten Interesse haben und mit Push-Benachrichtigungen, kann so gesteuert werden, das Produkte und Aktionen in bestimmten Märkten beworben werden können und so schneller getestet werden kann, welche Produkte, Aktionen etc. schneller zu höherem Umsatz führen.
Das Problem
Während ich nun die Punkte aufgezählt habe, die den wirtschaftlichen Aspekten gilt, was ich als Unternehmer zweifellos nachvollziehen kann, so sehe ich hier mit den Rabatten nur für App Nutzer, ein Problem, denn um sparen zu können, wird man genötigt etwas zu installieren, was man nicht braucht und dann Daten zu teilen, die man nicht teilen will. Es ist also nicht kostenlos, sondern ein Handel:
Für Rabatte, tausche ich das ersparte Geld gegen meine Konsumdaten.
Als jemand, der gerne Schokolade genießt, war es für mich schon etwas schwerer zu widerstehen, als eine günstige Schokoladentafel bei Lidl 0,69€ pro Tafel kostete, aber für Lidl Plus Kunden, nur 0,39€ pro Tafel. 2 Tafeln Schokolade für unter 1€ und das im Tausch für eigentlich nicht wirklich wichtige Informationen …. oder? Ich habe mich davon nicht hinreißen lassen können und konnte widerstehen, aber der Versuch war gut 😉
Jetzt ist das an sich nicht verwerflich, das ein Supermarkt die Aufmerksamkeit der Kunden möchte und sein Warenangebot und Aktionen optimieren will, jedoch finde ich es bedenklich, und vor allem ungerecht, gerade wenn das Unternehmen zu den Grundversorgern zählt, das man eine 2 Klassengesellschaft somit als normal etablieren möchte.
Ältere Menschen oder Menschen ohne Smartphone werden dadurch benachteiligt und werden somit zu Menschen 2. Klasse an der Kasse. Ich finde es verwerflich, dass man quasi den älteren Bürgern, welche nicht selten eine kleine Rente haben, noch Steine in den Weg legt, dass man ohne Umgang mit einem Smartphone, was für viele ältere Menschen durchaus problematisch sein kann, diese nicht von Ersparnissen profitieren können. Auch ist das Smartphone ein Werkzeug oder Accessoire, nirgendwo steht geschrieben, dass man das Haus nicht ohne Smartphone verlassen darf, und dennoch wird es als gegeben angesehen, dass man sein Smartphone immer dabei haben muss. Muss das unbedingt sein?
Ich denke, das ist nicht richtig, zwar verstehe ich die Intention, dass man damit mehr Menschen in die App locken will, aber als Grundversorger, sollte man solche Methoden nicht nutzen müssen.
Was denkt ihr?