Vertical Farming bei der AVF in München

Warum scheitert Vertical Farming bisher? 4 Gründe

Warum scheitert Vertical Farming bzw. warum scheitern Unternehmen in diesem Bereich? In meinem heutigen Beitrag möchte ich als Verfechter nachhaltiger und innovativer landwirtschaftlicher Praktiken über diese Probleme schreiben. Ich habe mich intensiv mit diesem Konzept auseinandergesetzt und dabei auch einige der Herausforderungen entdeckt, denen es gegenübersteht. In meinem letzten Beitrag habe ich bereits über die Herausforderung Vertical Farming und Grundnahrungsmittel geschrieben.

Zwecks Transparenz, ich bin bei der Association for Vertical Farming tätig.

Was ist Vertical Farming?

Für diejenigen, die mit dem Begriff nicht vertraut sind, handelt es sich bei vertikalen Farmen um landwirtschaftliche Anlagen, die in mehrstöckigen Gebäuden untergebracht sind. Sie ermöglichen den Anbau von Lebensmitteln direkt in städtischen Gebieten, wo Platz oft Mangelware ist. Eine faszinierende Idee, nicht wahr?

Warum scheitern dann so viele?

In den letzten Monaten gab es viele Unternehmen (Upward Farms, Future Crops, AeroFarms), die leider Bankrott gegangen sind (Verticalfarming Daily, Bloomberg), und das aus verschiedenen Gründen, nicht jedes Unternehmen gibt die Gründe dazu öffentlich an und in der Retrospektive lässt es sich leicht sagen, was man hätte besser machen sollen. Dennoch hat die Branche damit durchaus zu kämpfen, denn die Sorge vor dem Platzen einer Blase, ähnlich der Dotcom-Blase in den 2000er ist durchaus berechtigt, denn es gab in der Vergangenheit viele Investoren, die große Summen in Start-ups und Unternehmen reingepumpt haben. Das Platzen dieser Blase droht, wenn zu viel Versprechen gemacht werden und die Realität diese Versprechen nicht erreichen kann.

Die Antwort auf diese Frage, warum Unternehmen nun scheitern, ist komplex und umfasst mehrere Aspekte, nicht alle Unternehmen sind von allen Punkten betroffen und je nach Lage und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, fällt der ein oder andere Punkt stärker ins Gewicht:

1. Hohe Betriebskosten

Wie jedes Unternehmen, haben auch Vertical Farming Unternehmen Betriebskosten und wie es im Hightech Bereich nun mal üblich ist, fallen hier hohe Betriebskosten an:

  1. Energiekosten: Die Beleuchtung, Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle benötigen in der Regel viel Energie. LED-Leuchten werden oft verwendet, da sie energieeffizienter sind, aber die Energiekosten bleiben ein signifikanter Posten und dieser lässt sich nur schwer reduzieren, da die Pflanzen nun mal für die Photosynthese Licht brauchen.
  2. Wasserkosten: Vertical Farming verwendet oft Hydrokultur- oder Aeroponik-Systeme, die eine kontinuierliche Wasserversorgung erfordern. Obwohl die vertikalen Anbaumethoden bis zu 90% Wasser gegenüber der konventionellen Landwirtschaft einsparen kann, brauchen die Pflanzen nun mal das Wasser zum wachsen, und auch die Luft nimmt Feuchtigkeit auf, mit der Zeit muss also auch hier Wasser nachgefüllt werden, zwar sind diese Kosten gegenüber den Energiekosten fast vernachlässigbar, sollten aber nicht vergessen werden.
  3. Nährstoffkosten: Die Nährstofflösungen, die den Pflanzen zugeführt werden, können teuer sein, insbesondere wenn spezialisierte oder organische Lösungen verwendet werden.
  4. Personalkosten: Abhängig von der Automatisierung des Systems können die Personalkosten variieren. In einigen hochautomatisierten Systemen könnten die Arbeitskosten relativ niedrig sein, während in anderen mehr menschliche Arbeit  notwendig ist. Neben den Energiekosten machen die Personalkosten einen großen Teil aus, denn während die Arbeit auf dem Feld bei der konventionellen Landwirtschaft günstiger ist, ist im indoor Bereich einer Vertikalen Farm höher qualifiziertes Personal normalerweise notwendig. Wissenschaftler forschen, Technikern und Ingenieure halten das Ganze am Laufen, und man braucht auch Menschen, welche die Ernte, Verpackung und Transport übernehmen. Es gibt meines Wissens Stand 2023 nach, keine Vertical Farm, welche 100% automatisiert und nicht ohne Wartung von Menschen funktioniert.
  5. Miet- oder Immobilienkosten: Die Raumkosten können erheblich sein, insbesondere in städtischen Gebieten, wo die Immobilienpreise tendenziell höher sind. Gerade dort, wo Platz und Raum teuer sind und die Vertikale Landwirtschaft das Hauptargument ausspielt, den Anbau von Lebensmitteln in der vertikalen um Fläche zu sparen, hat den Nachteil das die Kosten für die dennoch benötigte horizontale Fläche, dennoch höher sind als im ländlichen Raum. Stand August 2023 besagt Numbeo, dass der Preis pro Quadratmeter Fläche in New York City zwischen 10.000-15.000 US-Dollar kostet, und das für 1 Quadratmeter.
  6. Lizenzierung und Versicherung: Abhängig von den lokalen Gesetzen und Vorschriften können auch Kosten für Genehmigungen, Lizenzierung und Versicherung anfallen. Hier fallen vor allem SaaS – Software as a Service Plattform Gebühren an, wenn man bestimmte Softwarelösungen benötigt. Das hängt hierbei natürlich vom jeweiligen Unternehmen ab. Diese Kosten Position nimmt aber keine übergeordnete Rolle ein.

2. Energetische Herausforderungen

Die Notwendigkeit künstliches Licht und Klimatisierung bereitzustellen, damit die Pflanzen in einer kontrollierten Umgebung wachsen können, kann den Energieverbrauch in die Höhe treiben.

In den Gesellschaften, die auf erneuerbare Energien setzen, kann dies ein schwer zu überwindendes Problem sein, denn diese sind zwar Co2 frei, und günstig, und dennoch verursachen diese aber große Kosten, es wirkt paradox, doch das lässt sich erklären. Regenerative Energien sind im Betrieb und beim bau günstig, hängen aber an den Energiequellen Wind und Sonne, weht kein Wind, und scheint keine Sonne, so wird der Strom teuer, denn auf einen Schlag wird der Strom zur Mangelware, im Stromnetz werden dann Reservekraftwerke hochgefahren und Energiekapazität aus dem Ausland eingekauft. Ein quasi schwarzer Tag an der Strombörse in Europa war der 16.09.2022, an dem Tag hat eine Megawattstunde MWh, mehr als 500€ gekostet (Quelle).

Steigende Strompreise sind ein Symptom, welches durch die regenerativen Energien wirkt, da diese unregelmäßig und dann teils zu viel auf einmal produzieren, dieser Strom aber auch verteilt werden muss, damit das Netz nicht überlastet wird. Diese Maßnahmen werden Redispatch genannt und kosten Tausende bis Millionen Euro.

Da die Branche eine High Tech Industrie ist und die Wirtschaftlichkeit mit vom Strompreis abhängt, ist meine Prognose, das sich diese Unternehmen gerade in den Ländern mit steigendem Anteil an erneuerbaren Energien, es schwerer haben werden, ihre Wirtschaftlichkeit aufrechtzuerhalten.

Vertikale Farmen verbrauchen, je nach Quelle, 38,8 kWh pro Kilogramm Erzeugnis. Einen deutlich höheren durchschnittlichen Energieverbrauch gegenüber herkömmliche Gewächshäuser, in denen durchschnittlich 5,4 kWh pro Kilogramm verbraucht werden.

Das Problem ist, wenn in Deutschland der Strompreis bei über 30 Cent pro kWh liegt, dann liegt der Produktionspreis bei 11,64€. Für die Industrie gibt es zwar einen Industriestrompreis, jedoch zeigt sich die Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit primär am Strompreis. Bei einem Strompreis von 17 Cent pro kWh, wäre der Produktionspreis, nur vom Strom betrachtet bei 6,59€/kg. Das ist ein Preis welcher Stand 2023 vergleichbar mit Fleisch aus dem Supermarkt ist.

Doch es gibt auch hier Lösungen, so kann daran geforscht werden Pflanzen zu züchten, welche effizienter mit weniger Licht auskommen, oder wo weniger Lichtleistung notwendig ist, weniger Stromverbrauch bedeutet geringere Kosten. Auch die Möglichkeit der Tageslicht Nutzung im Innenraum ist eine unterschätzte Investition, soweit mir bekannt, bietet nur HyPAR Sungrown CEA eine solche Lösung in der Branche an.

3. Beschränkte Pflanzenauswahl

Vertikale Farmen können rein technisch betrachtet alles anbauen, Weizen, Kartoffeln, Reis, Mais etc., aber nur weil es technisch machbar ist, heißt es nicht, dass es auch wirtschaftlich ist. Leider ist genau das der Knackpunkt, denn höherpreisige Produkte, also Pflanzen deren Frucht, viel Kalorien haben, können nicht wirtschaftlich genug angebaut werden. Mehr dazu in meinem Beitrag über Vertical Farming und Grundnahrungsmittel. Die Auswahl der Pflanzen ist also beschränkt aufgrund der notwendigen wirtschaftlichkeit, hinzu kommt, das jede Pflanzengattung anderes Licht braucht, je nach dem in welcher Wachstumsphase, mal mehr rot, mehr blau, das Mischverhältnis ist nicht frei wählbar und hängt von den fertigen LED Modulen ab.

4. Nicht nachhaltiges Finanzierungsmodell

Was man in den letzten Jahren der Fachpresse entnehmen konnte, wurde immer wieder Gelder und Finanzspritzen gebraucht, und Investoren gesucht. Das Problem ist, wenn man bereits mehrfach auf Finanzspritzen angewiesen ist, ist das ein Warnzeichen, das etwas nicht richtig funktioniert.

Denn während der Bauer auf dem Feld von der Natur und dem Wetter abhängig ist (Pestizide und Dünger ausgeklammert), ist er quasi nicht vom Strompreis abhängig, wohl jedoch vom Diesel für seine Landwirtschaftsmaschinen. Wenn man mehr produzieren wollen würde, könnte man einfach weitere Felder kaufen/pachten, und die Ernte verkaufen, das ist wohl auch billiger als ein Gebäude extra dafür zu errichten um darin Pflanzen anzubauen.

Doch eine Vertikale Farm muss Rechnungen jeden Monat bezahlen, große Summen für Strom, die hat ein Landwirt nicht. Und gerade bei Investoren ist man darauf angewiesen möglichst schnell Gewinn zu erwirtschaften, Kredite zurückzuzahlen und während es bei IT-Unternehmen im Bereich der SaaS Plattformen durch monatliche Abo einfacher ist, so muss man die Kunden erst noch davon überzeugen, Produkte aus einer Vertikalen Farm zu kaufen, bzw. diese Produkt zu vor erst noch in den Handel zu bekommen. Und gerade in Zeiten von Rezession, Inflation und stagnierender Wirtschaft, geben die Menschen weniger Geld aus und müssen mehr sparen, und da spart auch beim Essen.

Ich möchte die Branche auch nicht schlecht reden, doch kommt es mir vor, das nicht wenige Unternehmen die Umstände für Investoren hinter geschönten Marketing Begriffen verstecken, um doch Überzeugen zu können. Das ist falsch und zeugt davon das man kein nachhaltiges Finanzierungsmodell hat, wenn man immer wieder Investoren braucht um alles am laufen zu halten, man könnte es ja dann gleich staatlich subventionieren, wie in Deutschland die Biolandwirtschaft subventioniert wird. Dennoch ist Vertical Farming KEIN Scam und es gibt immer Menschen die versuchen werden Geld von unwissenden Menschen durch falsche Versprechungen zu locken. Vertical Farming ist eine ernsthafte Industrie und es gibt viele andere Unternehmen welche Wie

 

Sind vertikale Farmen dann zum Scheitern verurteilt?

Keineswegs! Ich glaube fest an das Potenzial von Vertical Farming und sehe die genannten Probleme als Herausforderungen, die gelöst werden können. Mit sorgfältiger Planung, Investition in Forschung und Entwicklung sowie der Implementierung nachhaltiger Praktiken können vertikale Farmen ein wichtiger Teil unserer Zukunft sein. Es bedarf aber auch eines klaren Blickes auf die Realität, keine Traumschlösser Fantasien die man verkaufen möchte, sondern auch zeigen, das es Herausforderungen gibt die man bisher nicht gelöst hat.

Auch wenn dieser Artikel eher negativ stimmt, so soll es nicht der Idee selbst Schaden, denn der Gedanke, Lebensmittel im städtischen Raum anzubauen, vor Ort, um Emissionen, Ressourcen und Kosten einzusparen, ist wichtig für die Zukunft.

In einem späteren Artikel werde ich Lösungen vorstellen, wie man eine Vertical Farm besser machen kann

 

Weiterführende Informationen:

 

 

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Geschrieben von Petr Kirpeit

Alle Beiträge entsprechen meiner persönlichen Meinung und sind in Deutsch verfasst. Um englischsprachigen Lesern den Zugang zum Artikel zu bieten, werden diese automatisch über DeepL übersetzt. Fakten und Quellen werden nach Möglichkeit hinzugefügt. Sofern es keine eindeutigen Beweise gibt, gilt der jeweilige Beitrag als meine persönliche Meinung zum Stand der Veröffentlichung. Diese Meinung kann sich im Laufe der Zeit verändern. Freunde, Partner, Unternehmen und weitere müssen diese Position nicht teilen.

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