Vertical Farming CO2 Zertifikate

Vertical Farming CO2 Zertifikate – ein schwieriges Thema

CO2-Zertifikate gibt es schon länger, man kann diese kaufen und somit seinen CO2-Abdruck quasi bezahlen oder sich freikaufen, dass man eine bestimmte Menge an CO2 ausstoßen darf. Vertical Farming CO2-Zertifikate sind daher auch nur eine Frage der Zeit. In diesem Beitrag erläutere ich das Problem, gebe einen Einblick wo energetische Wandlungsverluste enstehen, wie dies die Wirtschaftlichkeit eines Standort beeinflusst, sowie meine persönliche Meinung dazu.

Was ist Vertical Farming?

Für Leser dieses Blogs, die sich mit dem Thema Vertical Farming noch nicht beschäftigt haben, beim Vertical Farming handelt es sich um den landwirtschaftlichen Anbau von Pflanzen in der vertikalen. Dieses findet in entwickelten Ländern hauptsächlich im Indoor Bereich statt. So kann man auf einer kleinen Grundfläche viel mehr anbauen, dabei wird durch die Nutzung der vertikalen, die Grundfläche mit der Anzahl der Ebenen multipliziert. Diese Anbaufläche kann dann genutzt werden. Aus Gewichtsgründen verwendet man Hydroponik und die Nährstofffilm-Technik, in kleinen Halterungen sich die Pflanzen befinden. Damit die Pflanzen genug Licht bekommen, wird heutzutage auf LED Beleuchtung gesetzt, welche die Hauptlast beim Stromverbrauch ausmacht.

Was sind CO2 Zertifikate?

 CO2-Zertifikate (Emissionsrechtehandel) in Zertifikate, die einer Entität, also einem Unternehmen oder auch einer privaten Person das Anrecht für eine bestimmte Menge CO2 Ausstoß zusichert. Verbraucht man weniger CO2, kann man dieses Zertifikat wiederum an andere veräußern, wenn diese einen höheren CO2-Ausstoß als erwartet haben. Somit kann man mit CO2-Zertifikaten handeln.

Auch Vertical Farming verursacht CO2

Wie fast jede Tätigkeit auf der Welt, wo der Mensch einwirkt, wird CO2 freigesetzt, in der konventionellen Landwirtschaft ist das quasi bei den Landmaschinen der Fall, welche zum Beispiel mit Agrardiesel fahren und bei der Verbrennung CO2 freisetzen. Beim Vertical Farming sieht die Sache ein wenig anders aus. Da technisch bedingt, sind vertikale Farmen im Indoor-Bereich zu sehen, dort gibt es keine landwirtschaftlichen Maschinen mit Diesel, so fallen diese als CO2-Quelle raus.

 Die Quelle für CO2 ist eigentlich sehr offensichtlich für denjenigen, der sich mit dem technischen beschäftigt, denn es ist der Energieverbrauch. Und in einer vertikalen Farm haben wir einen großen Stromverbrauch. Das heißt, Vertical Farming kann, Stand 2023, aus technischer Betrachtung und auf Basis absoluter Zahlen, auf jährlicher Betrachtung, nicht CO2 frei arbeiten.

Denn auch wenn, je nach Land und Region, mehr oder weniger regenerative Energien eingesetzt werden, so wird der CO2-Fußabdruck dennoch immens sein. Doch warum ist das so?

Um das zu verstehen, muss man verstehen wie die Photosynthese funktioniert und warum wir Umwandlungsverluste haben, welche dazuführen, das je nach Land und Energiemix der CO2-Fußabdruck anders aussieht.

Exkurs in Photosynthese und RuBisCO

Die Photosynthese ist ein geniales Verfahren, das die Natur entworfen hat, mit RuBisCO und dem Calvin-Zyklus, dem biochemischen Prozess, der in der Pflanze, der in den Chloroplasten stattfindet, um durch die eingefangenen Photonen Energie (Glukose) zu produzieren, ist der Prozess auch für unser Leben auf der Erde verantwortlich, ohne das Abfallprodukt Sauerstoff, gebe es für den menschlichen Organismus keine Überlebenschance.

Jetzt ist RuBisCO mit dem Calvin-Zyklus zwar an sich genial, aber nicht sonderlich effizient, quasi ein Legacy-Produkt der Natur, vergleichbar mit dem technischen Zitat: „if it works, don’t touch it“, wenn es also funktioniert, dann sollte man es nicht mehr anfassen. Und so ähnlich hat die Natur es wohl gehalten, die letzten Milliarden Jahre, seitdem es pflanzliches Leben gibt.

Da die Photosynthese nicht sehr effizient ist, wird nicht jedes Photon vom Sonnenlicht oder vom LED Licht in einer vertikalen Farm eingefangen, das führt dazu, dass wir zwar Pflanzen im Indoor Bereich, geschützt vor der Außenwelt produzieren können, zu unglaublich sauberen und hygienischen Zustände auf die man neidisch sein kann, jedoch unter relativ großen energetischem Verlusten.

 

Exkurs in Effizienz Berechnung

 Ein Beispiel: Wir wollen eine vertikale Farm mit Solarenergie versorgen, diese soll in der Grundannahme rein für die LED-Beleuchtung genutzt werden. Wir betrachten hierbei jetzt nicht, wie viel Licht die Pflanze braucht, sondern wie viel Licht bei der Pflanze ankommt.

Die Aufteilung:

Solarzellen, Photovoltaik-Zellen, PV-Module etc., haben eine Effizienz zwischen 15 und 22%, bei kommerziell verfügbaren. Bei Solarzellen im Labor können unter Laborbedingungen höhere Werte erzielt werden (Stand 2022 Fraunhofer ISE 47,6%).

Die Sonne schickt uns, je nach geografischer Lage, im Schnitt 1000 Watt Solarleistung pro Quadratmeter auf die Erde. Bei 20% Effizienz, entspricht das einer Leistungsausbeute von 200 Watt elektrisch verwertbarer Energie auf einem Quadratmeter.

Der Einfachheit überspringen wir Akku und Laderegler Verluste, und gehen direkt zum Schaltnetzteil.

Ein Schaltnetzteil, ein hocheffizienter Energiewandler, welche aus Gleichspannung, aber auch Wechselspannung, je nach Typ, eine geregelte Gleichspannung erzeugen kann, diese kann niedriger, aber auch höher sein als die Eingangsspannung. Im technischen Terminus sprechen wir von SMPS (Switch Mode Power Supplies), bei linearen Wandlern würde die überschüssige Energie in Form von Wärme abgegeben werden. Dennoch haben auch SMPS keine 100% Effizienz bei der Umwandlung und müssen sich, abzüglich des Eigenverbrauchs, mit 85-90% zufriedengeben.

Bei 200 Watt, die wir vom Solarmodul erhalten, können wir 180 Watt bei einer SMPS Effizienz von 90% für die LED Beleuchtung verwerten.

Die LED, diese wird für die Beleuchtung verwendet, jedoch nicht nur eine, denn die Pflanzen sind auch beim Licht etwas wählerisch, je nachdem, in welcher Wachstumsphase sich die Pflanzen befinden, benötigen diese eine andere Lichtmischung, für die Photosynthese meist relevant gesehen sind rote und blaue LEDs, in den letzten Jahren haben diese auch große Fortschritte gemacht, so konnte laut OSRAM die Effizienz auf 61% gesteigert werden, die blaue LED zumindest auf 45% (Stand 2007) (Es gibt weitere Studien die höhere Effizienz angeben, jedoch sind diese eher Teil der Forschung und nicht kommerziell verfügbar, falls doch, bitte per Kontaktformular mich korrigieren).

Stand 2023 werden vermehrt Vollspektrum-LEDs verwenden, welche die Wellenlängen des Sonnenlichts haben, welches aber für die Pflanzen gebraucht wird.

Man kann also bei den LEDs von 50% Effizienz sprechen, wenn man die Kühlung dieser auch gut umsetzt, denn Wärme ist was die LED Leistung beeinträchtigt.

Von den 180 Watt elektrische Leistung, müssen wir uns zu 90 Watt Abwärme und 90 Watt Licht Leistung verabschieden, welche dann auf die Pflanze gestrahlt werden.

Und dann bleibt noch die Photosynthese an sich, diese ist, wie bereits im Exkurs über Photosynthese und RuBisCO, sehr ineffizient und das führt dazu, dass wir uns bei normalem Sonnenlicht mit 2% Effizienz zufriedengeben müssten. Da wir jedoch nicht mit Sonnenlicht arbeiten, sondern mit LEDs, welches Licht innerhalb von 400-700 Nanometer emittieren und daher in dem Bereich arbeiten, die für die Pflanzen und Photosynthese relevant sind.

Um die Verluste, die bei der Photosynthese entstehen, nachvollziehen und selbst nachrechnen zu können, habe ich ChatGPT (GPT 4) verwendet, diese wurden mit dem ChatGPT Python Interpreter berechnet, mit der Prämisse, dass die Umwandlung in Glukose und die Zellatmung, welche für die Pflanze notwendig sind, nicht als Verlust betrachtet werden:

Die angepasste Berechnung der Photosynthese-Effizienz unter Verwendung von LED-Licht im Bereich von 400-700 nm ergibt folgende Ergebnisse:

  1. Verlust durch nicht bioverfügbare Photonen: Bei LED-Licht im Bereich von 400-700 nm entfällt dieser Verlust komplett.

    • Verlust: 0%
    • Verbleibendes Licht nach diesem Schritt: 100%
  2. Verlust durch unvollständige Absorption: Einige Photonen werden nicht vollständig absorbiert.

    • Verlust: 30% (von 100%)
    • Verbleibendes Licht nach diesem Schritt: 70%
  3. Verlust durch Energieumwandlung der Wellenlängen: Energieverlust bei der Anpassung der Wellenlängen.

    • Verlust: 24% (von 70%)
    • Verbleibendes Licht nach diesem Schritt: 53.2%

Nachdem wir die Umwandlung in Glukose und die Zellatmung nicht mehr als Verluste betrachten, da sie für das Pflanzenwachstum notwendig sind, beträgt die effektive Lichtnutzung für die Photosynthese 53,2%. Dieser Wert stellt den Anteil des LED-Lichts dar, der effektiv von der Pflanze für die Photosynthese genutzt wird.

 Von den 1000 Watt auf 1 Quadratmeter, erreichen die Pflanze nach allen direkten Verlusten beim Vertical Farming, auf Basis der Photosynthese Effizienz Kalkulation für Vertical Farming, nur 47,88 Watt. Damit kämen wir auf eine Systemeffizienz von 4,78%

efficiency_solar_light_after_led_photosynthesis.pngVertical Farming Solar Licht Effizenz Photosynthese

 Ich denke, man sollte jetzt die Fakten verstehen können, wie große Verluste sind. Aber kommen wir wieder zum Thema CO2, was haben die Verluste mit CO2 tun? Das Problem, warum das Thema CO2 und Vertical Farming schwierig ist, liegt meiner Meinung nach an der Stelle, dass man versucht, das Problem an der falschen Stelle zu lösen.

Warum hat eine Vertikale Farm in Frankreich einen kleinen CO2 Abdruck als eine Vertikale Farm in Deutschland?

Deutschland hat doch so viele regenerative Energien, das Problem liegt aber darin, dass die Volllaststunden über das Jahr nicht so hoch sind. In Deutschland liegen die Volllaststunden bei Solarenergie bei 10% (In den USA bei 20%), bei Wind 16-57%. Das bedeutet, diese produzieren nur Energie, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst, und diese sind volatil, nicht dauerhaft gleichbleibend verfügbar. Zum Beispiel das Kernkraftwerk Grundremmingen, vor der Abschaltung Ende 2021, lagen die Volllaststunden bei 85%.

Die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke erfolgte im April 2023, so ging zum einen die Grundlast Stabilität verloren, des Weiteren muss nun Strom durch Gas- und Kohleverstromung gewonnen werden, diese gab es auch schon vorher, sind aber nun vermehrt für den CO2abdruck verantwortlich und schlagen sich am Ende dann auch auf die Produkte nieder, denn diese haben dann ja einen höheren Co2 Abdruck, gemessen an der jeweiligen Energiemenge für Produktmenge X.

Deutschland Electricity Maps November 2023

Frankreich nutzt Kernkraft stark, hat aber auch damit ein größeres Klumpenrisiko, siehe Ausfälle in der Vergangenheit. Aber durch den hohen Anteil an CO2-armen Strom in Frankreich, ist aus klimatischer Betrachtung, eine vertikale Farm bzw. Produkte, die in einer französischen vertikalen Farm angebaut wurden, deutlich besser als bei Produkten aus einer deutschen vertikalen Farm.

Frankreich Electricity Maps November 2023

In einem Beitrag hier auf meinem Blog schrieb ich bereits meine Gedanken und Kalkulation über den Stromverbrauch von Vertical Farming auf. 1800 kWh braucht es für 100 kg Salat. Je nachdem, welches Unternehmen testet und rechnet (iFarm (keine Werbung), hat eine gute Auflistung), kommt man auf unterschiedliche Werte und daher kann/muss man immer selbst mit den eigenen LEDs und Parametern rechnen.

Laut meiner Kalkulation aus meinem vorherigen Artikel lag der Stromverbrauch für 1 kg Salat bei 18 kWh. Sollte eure Rechnung bei einem höheren Stromverbrauch pro 1 kg Salat herauskommen, sind diese Werte natürlich auch höher. 

1kg Salat braucht also 18kWh.

Pro kWh verursachte Deutschland im Jahr 2022, 434g CO2/kWh.

Frankreich lag im selben Zeitraum bei 73g CO2/kWh.

Was bedeutet das?

18 Kilowattstunden x {CO2 pro kWh} = CO2 Fußabdruck für Salat aus einer vertikalen Farm 

Ein deutscher Vertical Farming Salat würde somit 7,81 kg CO2 verursachen.

Ein französischer Vertical Farming Salat würde hingegen nur 1,31 kg CO2 verursachen.

Diese Mengen beziehen sich hierbei auf den CO2-Anteil, der nur für den Stromverbrauch durch die LED-Beleuchtung verantwortlich ist. Nicht enthalten sind dann noch die Punkte Kühlung, Logistik und ggf. Lagerung und weiteres als Steuerungssysteme.

Man kann aber, so denke ich, klar erkennen, dass ein französischer Salat aus Sicht der klimafreundlichen Produktion und dem Nahrungsmittelbezug, vorzuziehen wäre.

Und so wird dem Leser dieses Beitrags wahrscheinlich schon meine Meinung näher kommen, was ich von CO2-Zertifikaten halte. Und damit kommen wir zu meiner persönlichen Meinung.

Meine Meinung

  1. Diese CO2-Zertifikate sind wie ein Ablasshandel, es gibt keine Kontrollinstanz, welche aussagen kann, wie viel CO2 wirklich emittiert wurde. Weder kann man die Preisgestaltung nachvollziehen, noch lässt sich daraus schlussfolgern, dass mit dem Geld, das man dafür zahlt, auch in Klimamaßnahmen investiert wird und die Menge an CO2 kompensiert wird.
  2. Mit steigenden CO2-Preisen, steigen auch die Kosten für den Kunden und Konsumenten, Vertical Farming ist bereits heute nicht günstig und würde damit den Kundenkreis noch weiter verkleinern, da Unternehmen wirtschaftlich arbeiten müssen und die Kosten für die CO2-Zertifikate für das Unternehmen an die Kunden in irgendeiner Form weiter geben müssen. Folglich würden die Kunden, wenn diese Vertical Farming Produkte beziehen wollen, über andere Unternehmen im Ausland diese importieren.
  3. Länder mit kleinerem CO2-Fußabdruck profitieren wiederum dadurch und können sich besser behaupten, wirklich konkurrenzfähig, wirtschaftlich als auch klimafreundlich zu handeln und durch den geringen CO2-Anteil die Produkte auch günstiger verkaufen und mehr Kunden erreichen. Dadurch lähmt man die eigene wirtschaftliche Entwicklung, während Länder mit weniger CO2 besser wachsen können.

Ich hoffe ich konnte dem interessierten Leser einen spannenden Einblick in dieses System geben und erklären warum ich der Meinung bin, das die CO2 Zertifikate nicht Teil der Lösung sind.

Bei Fragen, Anregungen oder Verbesserungsvorschlägen, bitte das Kontaktformular verwenden, alternativ die Kommentarfunktion.

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Geschrieben von Petr Kirpeit

Alle Beiträge entsprechen meiner persönlichen Meinung und sind in Deutsch verfasst. Um englischsprachigen Lesern den Zugang zum Artikel zu bieten, werden diese automatisch über DeepL übersetzt. Fakten und Quellen werden nach Möglichkeit hinzugefügt. Sofern es keine eindeutigen Beweise gibt, gilt der jeweilige Beitrag als meine persönliche Meinung zum Stand der Veröffentlichung. Diese Meinung kann sich im Laufe der Zeit verändern. Freunde, Partner, Unternehmen und weitere müssen diese Position nicht teilen.

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